„Bist Du es, der das tut?“

Am 28.11.23 wurde uns auf beeindruckende Weise der fiktive Briefroman Adressat Unbekannt (1938) der US-amerikanischen Schriftstellerin Kathrine Kressmann Taylor (1903-1996) im Rahmen der Hagenmüllervorlesungen durch eine szenische Lesung – eingerichtet durch die Regisseurin Susanne Höhne – präsentiert.

Den beiden jungen Schauspielern Benjamin Spindelberger und Samuel Pock gelang es, in ihrem Vortrag durch gekonnte sprachliche Tongebung und treffsicherer Gestik und Mimik das Auditorium mitzunehmen, dieses bewegende Thema zu illustrieren und zeitgleich diesen erschütternden Inhalt zu vermitteln. Eine schauspielerische Leistung, welche ganz ohne Bühnenbild auskam und somit den Text in den Fokus stellte. Ganz ohne Ablenkung wurde der Zuseher, die Zuseherin oder vielmehr der Zuhörer, die Zuhörerin mit dieser Thematik konfrontiert. Der Text ist stark genug und man kann der Sprache alleine vertrauen – eine grundlegende und vielleicht häufig verlorengegangene Idee des Theaters. Unterstützt wurden die beiden Schauspieler durch die renommierte Cellistin Anna Starzinger, welche nicht nur den passenden nachdenklichen, nahezu melancholischen Rahmen musikalisch erschuf, sondern auch durch gekonnte programmatische Einsätze ihres Instrumentes Teil der Handlung wurde.

Mag es sich um einen fiktiven Briefwechsel zwischen einem jüdischen Amerikaner und seinem ehemaligen Geschäftspartner, einem gebürtigen Deutschen, der 1932 in seine ursprüngliche Heimat zurückgekehrt ist, handeln, an seiner Bedeutung und insbesondere an seine Aktualität hat dieser Text nichts verloren. Der aufkommende Nationalsozialismus wird hier bereits – also zu einem sehr frühen Zeitpunkt – in all seiner Schrecklichkeit dargestellt. Man wird Zeuge, wie eine langjährige tief gehende Freundschaft durch eine Ideologie zerstört wird – ein beklemmender Zu- und Umstand. Dieses Werk eignet sich daher auch heute – und dies erfordern gegenwärtig die aktuellen politischen Ereignisse im Nahen Osten – , ein Sujet wachzuhalten, um das „Niemals vergessen“ ernst zu nehmen und die Mechanismen von Terrorregimen der Vergangenheit und Gegenwart besser begreifen zu können.